Regelung zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme

02. August 2023

Mit einer geplanten Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme will die EU bis zum Jahr 2050 geschädigte Lebensräume in einen guten Zustand versetzen.

Foto Perlmuttfalter

Stand der Diskussion

Die Vereinten Nationen haben das aktuelle Jahrzehnt zur Dekade der „Wiederherstellung von Ökosystemen“ ausgerufen. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission im Jahr 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme vorgelegt. Dieses Gesetz soll nach Beschlussfassung alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichten, zerstörte Ökosysteme schrittweise wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen und so u.a. den Bestand von Bestäuber-Insekten, natürliche Ressourcen, saubere Luft und sauberes Wasser zu sichern. Die Grundlage für den Vorschlag bildet eine Reihe bereits existierender Konzep-te und Regelungen wie der Green Deal , die EU Biodiversitätsstrategie 2030, die Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutz-Richtlinie, die Wasserrahmen-Richtlinie und die „Marine Strategy“.

Intakte Ökosysteme sind für den Erhalt der Biodiversität wichtig, für den Klimaschutz (sie stellen in der Regel Kohlenstoffsenken dar), sie regulieren den Wasserhaushalt und sie sind Basis für nachhaltige Lebensmittel und Rohstoffe. Darüber hinaus bieten sie Schutz vor Naturgefahren, die durch den Klimawandel verursacht, in Ausmaß und Frequenz verstärkt werden.

Logo der Vereinten Nationen über die Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen 2021 bis 2030

Der EU-Umweltrat hat am 20.6.2023 einen Kompromiss im Rahmen eines „General Approach“ erzielt (Ratsbeschluss). Das Europäische Parlament hat am 12. Juli 2023 für das Gesetz zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme gestimmt, allerdings mit einer Reihe von Änderungsvorschlägen zum ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission. Damit ist der Weg frei für die weiteren Verhandlungen zwischen EU-Rat und Parlament ab Herbst 2023, im so genannten „Trilog“, um zu einen Kompromiss und Beschluss zur Verordnung zu finden.

Im Folgenden werden auf Basis des Ratsbeschlusses vom 20.06.2023 die wesentlichen Punkte der geplanten Verordnung erläutert.

Ziele und Zeitplan

Mit der Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme will die EU bis zum Jahr 2050 geschädigte Lebensräume in einen guten Zustand versetzen. Die geplanten Maßnahmen sollen zum Schutz und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen, den Klimaschutz positiv beeinflussen und die Resilienz der Ökosysteme gegenüber Naturkatastrophen erhöhen. Der Vorschlag umfasst auch jene Ökosysteme, die bisher von keiner Regelung erfasst sind, wie Wirtschaftswälder, städtisches Grünland und landwirtschaftliche Ökosysteme.

Zeithorizont 2030 bis 2050

Maßnahmen zur Wiederherstellung sollen bis 2030 auf mindestens 30 % der Fläche aller Lebensraumtypen (Lebensraumtypen laut FFH-Richtlinie (Anhang I)) stattfinden, die in keinem gutem Zustand sind. Die renaturierte Fläche soll bis 2040 auf 60% und bis 2050 auf 90% anwachsen. Lebensräume, deren Flächen stark zurückgegangen sind, sollen bis 2030 zu 30%, bis 2040 zu 60% und bis 2050 zu 100% wiederhergestellt werden (bezogen auf die günstigen Referenzflächen).

Die wichtigsten Inhalte

Von Agrarlandschaften, über Grünflächen, Gewässer bis Wälder – viele unterschiedliche Lebensräume werden von der geplanten Regulierung erfasst.

Mehr Schutz für Grünflächen, Gewässer und Insekten

Beim Schutz von Ökosystemen stehen Grünflächen in Siedlungsgebieten und die Gewässer-Lebensräume an vorderer Stelle des Verordnungsentwurfs: Grünflächen in Siedlungsgebieten sollen erhalten und dürfen nicht reduziert werden. Von den Gewässer-Barrieren wie Staudämme und Längsverbauungen, sollen jene entfernt werden, die nicht für die Produktion erneuerbarer Energie, Binnenschifffahrt, Wasser-Bereitstellung, Hochwasserschutz oder andere, systemrelevante Zwecke benötigt werden.

Auch die natürliche Bestäubung durch Insekten soll erhöht werden: Bis 2030 soll der Rückgang der Bestäuber-Insekten aufgehalten werden um in weitere Folge eine positive Entwicklung dieser Arten zu erreichen.

Mehr Vielfalt in den Agrarlandschaften

Mit weiteren Maßnahmen soll die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften verbessert werden. Bei der Umsetzung sind folgende Indikatoren zu berücksichtigen: Grünland-Schmetterlingsindex, Menge an organischem Kohlenstoff in Ackerböden, Anteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen, die eine hohe landschaftliche Vielfalt aufweisen. 

Mehr Vielfalt in den Wäldern

Auch die biologische Vielfalt in den Wäldern nimmt in der Regulierung einen hohen Stellenwert ein. Der Anteil an stehendem und liegendem Totholz soll gesteigert und der Woodland Bird Index verbessert werden. Der Anteil der Wälder mit natürlichen Altersstrukturen wird erhöht und gesunde Wälder miteinander vernetzt. Der Anteil der Wälder mit heimischen Baumarten sowie die Baumartenvielfalt sollen zunehmen.

Nationale Pläne an die EU

Der Verordnungsentwurf sieht die Erstellung von nationalen Wiederherstellungsplänen („national restoration plans“) vor. Sie sollen für jeden Lebensraumtyp folgende Informationen beinhalten: Gesamtfläche und Lage der Lebensraumtypen, Anteil der Fläche, die sich nicht in gutem Zustand befindet, günstige Referenzfläche, die historische Verteilung und die aufgrund des Klimawandels prognostizierte zukünftige Verteilung der Lebensraumtypen.

Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, vor Beschlussfassung ihre nationalen Wiederherstellungspläne der Europäischen Kommission zur Bewertung und Rückmeldung vorzulegen. In einem festgelegten Verfahren werden die nationalen Wiederherstellungspläne überprüft und regelmäßig überarbeitet. Auch die Erfordernisse für Monitoring und Reporting werden erläutert.

Geplante Umsetzung in Österreich

Für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen sind in Österreich insbesondere die Bundesländer, das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML), das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und die Gemeinden verantwortlich. Wenn die Maßnahmen der Verordnung, wie derzeit im Entwurf dargestellt, umgesetzt werden, ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass sich die biologische Vielfalt und Funktionalität der wiederhergestellten Ökosysteme stark verbessern werden. Ein wesentlicher Punkt ist die rechtzeitige Sicherung der wiederherzustellenden Flächen, um damit kontraproduktive Eingriffe wie Verbauung oder Entwässerung zu verhindern.

Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+

In der Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ sind bereits Ziele zur Wiederherstellung von besonders wichtigen Ökosystemen bis 2030 aufgenommen. Das betrifft vor allem Moore, Auen und Gewässer sowie weitere Lebensräume, die einen wertvollen Beitrag zum Fortbestand und Erhalt von gefährdeten Arten und seltenen Biotopen leisten. Darüber hinaus sollen laut nationaler Biodiversitäts-Strategie auf 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche Landschaftselemente, wie Brachflächen, Hecken, Trockenmauern erhalten oder errichtet werden. Diese Flächen werden auch als Habitate für Bestäuber (Wildbienen, Tagfalter) dienen, somit dient dieses Ziel auch dem Ziel „Rückgang der Bestäuber ist umgekehrt“.  Auch der Anteil von extensivem Grünland soll auf 12 % erhöht werden.

Agrarumweltprogramm (ÖPUL)

Das Agrarumweltprogramm (ÖPUL) sieht für Österreich 7 % an Biodiversitätsflächen vor. Weitere ÖPUL Maßnahmen, wie z. B. die Naturschutzmaßnahme oder die ergebnisorienteierte Bewirtschaftung unterstützen die Erhaltung von wichtigen Agrarökosystemen und fördern die biologische Vielfalt (z. B. Bestäuber-Insekten).

Die Umsetzung der EU-Verordnung kann einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der österreichischen Wiederherstellungsziele und damit der Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ sowie zur Sicherung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion als Grundlage für eine gesunde Ernährung leisten.

Links

UN Decade on Ecosystem Restoration 2021-2030

Europäischer Grüner Deal (europa.eu)

Biodiversity strategy for 2030 (europa.eu)

Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ (BMK)

Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

Vogelschutz-Richtlinie

 Wasserrahmen-Richtlinie

Meeres-Strategie

Quelle

Umweltbundesamt (letzer Zugriff am 2.8.2023)