Wolf: Studie zeigt Lebensräume und Konfliktzonen
Das Thema Wolf sorgt meist für hitzige Diskussionen. Die einen wollen seinen Lebensraum bewahren, andere sorgen sich um die Sicherheit von Menschen und Nutztieren. Die Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) hat nun im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums erstmals das Konfliktpotenzial des Rudeltieres in Österreich erhoben. Vor allem der Westen und der Süden sind betroffen. Die Studie zeigt auch potenzielle Lebensräume für den Wolf.

21.000 Wölfe gibt es in Europa, die Population hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, nachdem die Tierart eine Zeit lang vom Aussterben bedroht war. Dadurch kam es in der letzten Zeit immer wieder zu Rissen von Nutztieren und der Wolf tauchte auch immer wieder in Siedlungsgebieten auf, was zu Konfliktpotenzial führte.
Die Bevölkerung habe das als Sicherheitsrisiko wahrgenommen, sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. „Für uns war klar, bei dieser Entwicklung ist es notwendig, die Balance in der Natur- und Kulturlandschaft aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass der Wolf seine natürliche Scheu vor dem Menschen behält.“ Erst Anfang Oktober wurde in Niederösterreich ein Wolf abgeschossen, weil er zuvor Nutztiere angegriffen, verletzt und gerissen hatte.
Grundlage für effektives Wolfsmanagement
Die BOKU-Untersuchung „LeKoWolf: Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf (Canis lupus) in Österreich“ startete im April vergangenen Jahres. Beantwortet werden sollten Fragen wie „Welcher Lebensraum ist in Österreich für Wölfe aus ökologischer Sicht potenziell geeignet?“, „Wo ergeben sich Konfliktpotenziale mit Wölfen in Österreich aus sozio-ökonomischer Sicht?“ und „Welche Flächen sind durch Habitat- und Konfliktpotenzial besonders betroffen?“.
Diese Modelle sollen eine datengestützte Grundlage für ein effektives Wolfsmanagement bieten, das sowohl den Schutzstatus des Wolfs nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als auch die Interessen der betroffenen Menschen berücksichtigen kann.
Die Studie würde zeigen, dass Österreich theoretisch über potenzielle Lebensräume für Wölfe – vor allem im alpinen Bereich – verfügen würde, sagte Totschnig. Gleichzeitig würde in diesen Regionen auch Konfliktpotenzial aufgrund der Nutztierhaltung, der Almwirtschaft und des Tourismus bestehen. Mittels präziser Kartendarstellungen wurden erstmals Gebiete mit hohem bis niedrigem Konfliktpotenzial identifiziert, so Totschnig.
Steigende Wolfbestände in Nachbarländern
Die Studie zeigte, dass der Wolf in Europa weit verbreitet ist. Tiere könnten aus allen Himmelsrichtungen nach Österreich gelangen, sagte Studienautorin Jennifer Hatlauf vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der BOKU. „Selbst wenn heute alle Wölfe verschwinden würden, würden morgen welche nachkommen.“
Der Grund dafür sind die steigenden Bestände in den Nachbarländern und die Ausbreitungsbiologie der Tierart. „Ein Jungwolf wird sich auf Paarungssuche durchaus auf weite Distanzen begeben“, so Hatlauf. Nachdem der Wolf in Österreich Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet war, habe es 2016 wieder das erste Rudel gegeben, 2024 waren es bereits neun. 2025 gab es bisher acht bestätigte Rudel in Österreich.
2023 gab es hierzulande noch über 100, 2024 gab es unter 100 Wolfsnachweise. Dementsprechend zurückgegangen sind auch die durch die Tiere verursachten Schäden nach einem Höchststand im Jahr 2022, erklärte die Wissenschaftlerin. Erstellt wurden Modelle zu Lebensraum-, Riss- und Konfliktpotenzial. Daraus wurden Hotspots – etwa im Westen und Süden Österreichs – identifiziert. Hatlauf bezeichnete die Analyse als „bahnbrechend und wertvoll“.
Aktives Wolfsmonitoring geplant
Aus der Untersuchung sollen in Zukunft Konfliktlösungen und -maßnahmen abgeleitet werden. Die Studie sei „ein wichtiger Baustein in Richtung funktionierendes und wissenschaftlich gut abgesichertes Wolfsmanagement in Österreich“, sagte Totschnig. Es hätte gezeigt, dass es weiteren Forschungsbedarf gebe. Deshalb werde das Ministerium gemeinsam mit den Bundesländern eine weitere Studie in Hinblick auf die Ermittlung des Vorschlags für einen günstigen Erhaltungszustand des Wolfes in Österreich beauftragen.
Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Abbildung der geänderten EU-Rechtslage mit entsprechenden Gesetzen der Bundesländer. Einerseits würde dazu ein aktives Wolfsmonitoring eingerichtet, sprich die Wolfspopulation in Österreich erfasst. Zudem gehe es um die Feststellung des günstigen Erhaltungszustandes als Voraussetzung für die Durchführung eines aktiven Wolfsmanagements. „Wir schaffen nun die Grundlagen auf wissenschaftlicher Basis“, sagte Totschnig. Die durchgeführte Studie behandle nur einen Teilaspekt des Themas.
„Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus“
Das Thema Wolf habe sehr viel mit Emotionen zu tun, sagte der Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP) bei der Pressekonferenz. „Der urbane Mensch in den Städten ist weniger betroffen als Menschen am Land oder im Gebirge.“ Wenn Konflikte mit Großraubtieren weniger als 50 Kilometer entfernt seien, steige die Ablehnung relativ stark, meinte Geisler. „Deshalb wäre es wichtig, hier weniger Ideologie, sondern mehr Pragmatismus hereinzubringen und auch die Wissenschaft zu Wort kommen zu lassen.“
Im Zuge der Pressekonferenz hob der Minister etwa den Herdenschutz, der immer wieder als alleiniger Lösungsansatz genannt werde, hervor. „Letztlich muss man zur Einsicht gelangen, dass ohne einer Regulierung der Wolfsbestände es in der Praxis nicht funktioniert“, sagte Totschnig. Geisler betonte ebenfalls, dass der Herdenschutz im Gegensatz zu früher einen „organisatorisch sehr hohen Aufwand“ bedeute.
WWF plädiert erneut für Herdenschutzoffensive
Anlässlich der Studienpräsentation forderte die Tierschutzorganisation WWF erneut eine flächendeckende Herdenschutzoffensive. Abschüsse seien keine nachhaltige Lösung, hieß es in einer Aussendung. Mit der Herdenschutzoffensive sollen die Weidetierhalter bei der Anstellung von Hirten sowie beim Ankauf von Herdenschutzhunden und Elektrozäunen unterstützt werden.
Dass solche Maßnahmen wirken, zeigt die Schweiz: Dort sei die Zahl der gerissenen Nutztiere pro Wolf um 87 Prozent zurückgegangen, so WWF-Sprecher Leonhard Steinmann. Abschüsse sind laut WWF die häufigste Todesursache für Wölfe in Österreich. Allein im Jahr 2024 seien hierzulande 13 Tiere getötet worden. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2024 zwei Tiere geschossen, obwohl dort mit 209 Rudeln und 46 Paaren rund 30-mal mehr Wölfe mit fixem Revier leben als in Österreich, hielt die Organisation fest.
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Quelle & Grafiken
Wölfe in Österreich: Studie zeigt Lebensräume und Konfliktzonen - news.ORF.at